Durch die Raunächte mit Inner Nature Journaling

Neulich habe ich unter meinen Newsletter-Leserinnen eine Umfrage gemacht, ob sie in den Raunächten regelmäßig schreiben. Über 60% haben die Frage mit “ja” beantwortet. Und ebenfalls 60% haben geschrieben, dass sich durchs Journaling ihr Leben verändert hat. Die anderen 40% konnten es sich vorstellen, dass sich durch Journaling ihr Leben verändern könnte.

Mein Leben hat Journaling auf jeden Fall verändert. Ich habe während der Pandemie angefangen, regelmäßig zu schreiben. Als die Welt immer kleiner wurde und meine Brust immer enger, fing ich an meinen Kummer - drei Kinder im Homeschooling, einen Ehemann mit Krebs - meinem Journal anzuvertrauen. Seite um Seite bedeckte ich mit meinen Gedanken, schrieb mir Kummer und Sorgen von der Seele. Immer wieder, jeden Morgen. Morning pages nennt die Autorin und Kreativitätscoachin Julia Cameron dieses Verfahren, das sie in ihrem Buch “Der Weg des Künstlers” beschreibt. Dabei geht es darum, frei zu schreiben, ohne Rücksicht auf Stil, Kommata oder Rechtschreibung. Auf diese Weise kommen wir in Verbindung mit uns selbst, mit dem, was in uns schlummert und entdeckt werden will.

Mir halfen die Morning Pages durch die Pandemie, mit ihnen konnte ich meine Gedanken ordnen, und schaffte es, mich selbst im Gewust von Angst und Überforderung nicht zu verlieren.

Auch heute noch schreibe ich jeden Morgen meine drei Seiten, um mich selbst besser zu verstehen. Inzwischen habe ich gelernt, welches Prinzip dahinter steckt, die Morgenseiten kommen nämlich aus dem Free oder auch Expressive Writing, eine gut erforschte Methode der Schreibtherapie. Diese lässt sich natürlich nicht nur auf die Morgenseiten anwenden, das Free Writing kannst du immer machen, wenn du dir selbst auf die Spur kommen möchtest.

Die besondere Verbindung: Free Writing und Naturgänge

Besonders schön ist es - und das ist mein Ansatz - wenn du das Free Writing im Zusammenspiel mit Naturgängen verwendest. Ein Naturgang ist keine Wanderung oder Spaziergang, sondern ein bewusstes Erleben der Natur vor deiner Haustür, bei dem du in Resonanz mit den Naturlebewesen um dich herum gehst.

Dabei zeigt dir die Natur Teile deines Unbewussten, die dir sonst verborgen bleiben. Sie antwortet dir auf ihre Art und Weise.

Nach deinem Naturgang schreibst du das Erlebte im Free Writing auf (maximal 7-10 Minuten, nicht länger). Danach ist es Zeit für die Inner Tracking Fragen. Was ist das?

Die Inner Tracking Fragen

Inner Tracking ist eine Methode aus der Wildnispädagogik. Tracking bedeutet eigentlich Fährtenlesen, es ist die Kunst anhand von Spuren in Sand, Schnee oder Matsch zu erkennen, welches Tier an dieser Stelle vorbeigekommen ist und was es gemacht hat. Beim Inner Tracking stellt man die Fragen, die sonst den Spuren im Schnee gelten, sich selbst:

  • Was passiert gerade?

  • Was erzählt mir das?

  • Welche Geschichte steckt dahinter?

    Sowie zwei Extra-Fragen, die von dem Odawa Ältesten Paul Raphael überliefert wurden (sie stammen aus der Friedensstifter Tradition der Haudenossaunee), die ich nur bei ganz besonderen Gelegenheiten stelle:

  • Wie hilft mir das?

  • Wie hilft mir das, anderen zu helfen?

Geschichten und mehr Informationen zu den Hintergründen der Inner Tracking Fragen findest du in meinem Buch “Raunächte. Mein Journal”.

Diese Fragen stellst du nun an deine Geschichte und schreibst auch diese auf. Was verändert sich für dich? Was steckt hinter deiner Geschichte?

Inner Nature Journaling

Aus diesen Werkzeugen, den Naturgängen, den Inner Tracking Fragen und dem Free Writing entsteht das Inner Nature Journaling. So habe ich es genannt, um es von Nature Writing (das sind literarische Texte über die Natur) und Nature Journaling (dabei geht es darum, die Natur in Zeichnungen und Bildern zu erforschen) abzugrenzen.

Doch es ist nicht wichtig, dass du dir den Begriff merkst, sondern um die Methode, die dahinter steht: Beim Inner Natur Journaling gehst du mit dir und der Natur in Verbindung und kannst die Bedeutung deines Naturgangs erkennen und in dein Leben integrieren. (Eine andere Methode dafür ist das Spiegeln, das biete ich immer mal wieder in den Resonanzräumen an.)

Inner Nature Journaling für die Raunächte

Was hat das jetzt mit den Raunächten zu tun? In meinem Buch “Raunächte” lade ich dich zu zwei Naturgängen ein, einen zum Rückblick auf das vergangene Jahr und einen zur Vision des neuen Jahres. Um die Schätze dieser beiden Naturgänge zu heben, eignet sich das Inner Nature Journaling besonders. Mehr Informationen dazu und Platz zum Schreiben findest du in meinem Buch “Mein Journal”, das passend zum “Raunächte” Buch erschienen ist. Du brauchst das “Raunächte” Buch aber nicht, um das Journal benutzen zu können, das Journal steht auch für sich allein.

Wenn du Journaling bereits kennst und liebst, hoffe ich, dass sich deine Erfahrung mit diesen Werkzeugen vertiefen kann. Wenn du zu den 40% gehörst, die noch keine Erfahrung mit Journaling haben, lade ich dich herzlich dazu ein, es auszuprobieren. Du brauchst dafür nur ein Heft und einen Stift.

Alles Gute dir für deine Reise durch die Raunächte.

Herzlich,

Kathrin

Literatur:

Kathrin Blum, Raunächte. Rituale, Bräuche und Geschichten. Osternfildern 2024.

Kathrin Blum, Mein Journal. Impulse und Inspirationen. Ostfildern 2025.

Julia Cameron, Der Weg des Künstlers. München 2000.

Birgit Schreiber, Schreiben zur Selbsthilfe. Weil Worte Wirken. Glück erleben - gesund sein. Berlin 2022.

Lutz von Werder, Barbara Schulte-Steinicke, Schreiben von Tag zu Tag. wie das Tagebuch zum kreativen Begleiter wird. Düsseldorf 2008.

Mehr über die Friedensstifter Tradition der Haudenossaunee hier.



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